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Befreiung, Chancen, Hoffnungen, Enttäuschungen

Dr. Stefan Bollinger zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus

Vorgetragen und beraten in der Tagung der Historischen Kommission am 22. März 2025.

In den Nachtstunden vom 8. zum 9. Mai 1945 kapitulierten im Offizierskasino der Festungspionierschule in Berlin-Karlshorst die Befehlshaber der Streitkräfte des faschistischen Deutschland vor den Vertretern der alliierten Siegermächte Sowjetunion, USA, Großbritannien und Frankreich. Schon einen Tag zuvor gab es eine Kapitulationsvereinbarung in Reims durch den Chef des deutschen Wehrmachtführungsstabes, die nun auf sowjetischen Druck von den deutschen Befehlshabern in Anwesenheit der höchsten Vertreter der Alliierten Streitkräfte endgültig ratifiziert wurde. In Europa gingen fast sechs Jahre eines blutigen und einzigartigen Krieges zu Ende, vier Monate später kapitulierte am 2. September auch das mit Deutschland verbündete Japan. Gegen den faschistischen Block kämpften zum Schluss über 60 Staaten auf allen fünf Kontinenten bzw. vor deren Küsten. Es war ein globaler Krieg der ost- und westeuropäischen sowie nordamerikanischen Völker, aber zugleich auf den außereuropäischen und westeuropäischen Kriegsschauplätzen ein Krieg der Völker des globalen Südens gegen die faschistischen Aggressoren aus Berlin, Rom und Tokio. Die Anti-Hitlerkoalition hatte gesiegt – mit ihren Staaten und Armeen, mit Partisanen und Untergrundkämpfern, Saboteuren und Flugblattwerfern, sie hatte ihre Helden und Märtyrer, ihre Zauderer und Ängstlichen, ihre Verräter und Versager. Es war ein Bündnis, in dem sich die Verbündeten misstrauten und gegenseitig brauchten, die wussten, wie sie die Welt gestalten wollten, die aber gegen den weltweiten Faschismus der Antidemokraten, Völkermörder, Eroberer sich für einen historischen Augenblick um des Überlebens willen einig war. Und diese Koalition hatte gesiegt.

Befreiung aus Krieg, Unterdrückung und Terror

Der Sieg über Nazideutschland und seine Verbündeten war eine Befreiung der Völker Europas und der Welt von dem Versuch der deutschen Eliten in Wirtschaft, Politik und Militär mit Hitler die demokratischen, linken Revolutionen und Umwälzungen ab 1917/18 rückgängig zu machen und für Deutschland nach 1914 zum zweiten Mal die Weltherrschaft ins Visier zu nehmen. Es ging dabei um Märkte, Rohstoffe, Industrien, Ländereien, um zu versklavende Arbeitskräfte.

Dieser 8. Mai steht für die Eroberung Berlins durch die Rote Armee, der Armee des Staates, der vier Jahre lang die Hauptlast des Krieges in Europa zu tragen hatte, auch wenn das heute – nicht zuletzt vor dem Hintergrund späterer und heutiger Konflikte und Kriege – gerne verdrängt wird. Ein bitter erkaufter Sieges- und Befreiungszug einer Armee der vielen Nationen und Nationalitäten der Sowjetunion. Ukrainer, Belorussen, Litauer, Juden, Kasachen, Turkmenen und viele andere trugen diese sowjetischen Uniformen. In Berlin endete auch der Siegeszug der an der Eroberung der Reichshauptstadt beteiligten polnischen Armee.

Dieser Tag steht für Kapitulation und vernichtende Niederlage des Versuchs der deutschen Faschisten mit ihren italienischen und japanischen Hauptverbündeten eine faschistische Weltordnung zu errichten: Gegen alle Demokratie und allen Sozialismus, gegen das Leben von aus ihrer Sicht lebensunwerten Menschen anderer Ethnien und Völker, seien es Juden, Sinti und Roma, Slawen oder Chinesen, eines Krieges zur Unterdrückung und Ausbeutung der überfallenen Völker. Für die deutschen Faschisten spielte die möglichst vollständige Auslöschung der Juden aufgrund der zentralen Rolle des Antisemitismus in der Nazi-Ideologie eine zentrale, tödliche Rolle.

Es war ein Krieg, der explizit als Vernichtungs- und Weltanschauungskrieg geführt wurde. Mit 6 Millionen ermordeten Juden unterschiedlichster Staatsangehörigkeit hatte diese Volks- und Religionsgruppe besonders zu leiden, aber nicht nur sie. Der Krieg kostete 27 Millionen Sowjetbürgern, 6 Millionen Polen, 1,7 Millionen Menschen der Völker Jugoslawiens, ca. 14 Millionen Chinesen, aber auch 6,5 Millionen Deutschen das Leben. Weltweit haben bis zu 65 Millionen Menschen an den Fronten, im Hinterland, in Konzentrations- und Vernichtungslagern ihr Leben verloren. In deutscher Gefangenschaft starben 3,3 Millionen sowjetische Soldaten, bei der Blockade Leningrads fielen, verhungerten, erfroren 1,1 Millionen Bürgerinnen und Bürger, mindestens 2 Millionen Inder verhungerten. Eine Schreckensliste, die lang ist.

Die Niederlage war nicht nur das Ende, der Zusammenbruch einer Terrorherrschaft und eines mörderischen ideologischen Systems, das Zerstören von Lebenslügen und vermeintlichen Überzeugungen, die von der Vorherrschaft der eigenen "Rasse" von "Herrenmenschen" ausging. Es war vor allem ein Tag der Befreiung. Natürlich für die überlebenden Gefangenen der Konzentrationslager und Zuchthaus, für die frei kommenden Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter vieler Völker, für die in den letzten Kriegstagen den sog. "Todesmärschen" Entronnenen. Die Niederlage hatte auch Folgen für die Deutschen. Sie erlebten oft genug ungezügelte Racheausbrüche der Sieger. Millionen verloren vor allem im Osten ihre Heimat und ihr Zuhause, mussten als Flüchtlinge und Umsiedler neu anfangen.

Es war auch die Befreiung und die Chance für die Deutschen auf den Trümmern des 3. Reiches, auf den Trümmern ihrer Städte und Dörfer und auf den Ruinen ihrer Verblendung einen Neubeginn zu wagen und sich den Weg zurück in die Völkergemeinschaft zu erarbeiten. Ein langer Lernprozess, der in den vier deutschen Besatzungszonen unterschiedlich bewerkstelligt wurde, der sich in den beiden deutschen Staaten fortsetzte und der auch heute – gerade angesichts des Versuchs, diese Befreiung zu diskreditieren, zu verfälschen und eines erfolgreichen Aufstiegs nationalistischer, rechtskonservativer, ja faschistoider Kräfte - nötiger ist denn je.

Chance für ein demokratisches, antifaschistisches Deutschland

Die Deutschen schafften es nicht, sich der faschistischen Diktatur aus eigener Kraft zu entledigen. Nur eine Minderheit kämpfte in kommunistischen, sozialdemokratischen, christlichen Widerstandsgruppen, in der "Weißen Rose", der Gruppe Herbert Baum, im Umfeld der Männer und Frauen des 20. Juli 1944, im Exil, suchten wie Thomas Mann auf die Deutschen einzuwirken. In sowjetischer Gefangenschaft bildete sich ein Nationalkomitee Freies Deutschland. All sie waren Teile einer deutschen Anti-Hitlerkoalition. Aber der Sturz des Faschismus musste von außen und mit Gewalt erfolgen.

Die militärische Niederlage bot den Deutschen eine historische Chance. Und in der Tat haben Deutsche - Kommunisten, Sozialdemokraten, Demokraten unterschiedlicher politischer Ausrichtung -, befreit aus KZs und Zuchthäusern, heimgekehrt aus dem Exil, entronnen der inneren Emigration die Chance genutzt. Der "Schwur von Buchenwald" galt für sie: "Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht. Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel." Einen Schritt weiter ging das "Buchenwalder Manifest für Frieden, Freiheit, Sozialismus" deutscher und europäischer demokratischer Sozialisten, die begriffen, dass die in KZs und im Untergrund gewonnene Einheit der Arbeiterklasse ein zentrales Gut ist, das in ein neues Deutschland und Europa eingebracht werden muss. Sie zielten auf die Vernichtung des Faschismus, die Schaffung einer Volksrepublik und die Befreiung der Arbeit, auf eine Gesellschaft des Friedens und des Rechts, der Humanität. So wichtig diese Willenserklärungen waren, die sich findenden Linken und Demokraten mussten an den Aufbau einer neuen Verwaltung, an die Lösung der brennendsten Nöte der Menschen gehen.

Das hatte eine klare Grundlage und Erkenntnis: Der Zusammenbruch des Faschismus würde nicht ausreichen, um eine friedliche und demokratische Welt zu errichten. Mit ihm musste zugleich eine seiner wesentlichsten Ursachen, der Kapitalismus beseitigt werden. Selbst im von den vier Siegern besetzten Deutschland setzte nicht nur der sowjetische Einfluss eine antikapitalistische, sozialistische Alternative auf die Tagesordnung. In den Westzonen – wie auch in der SBZ – bildeten sich spontan vom Augenblick der Befreiung an basisdemokratische, antifaschistisch-demokratische Strukturen, die als "Antifa-Ausschüsse" heute fast vergessen sind. Kommunisten, Sozialdemokraten, Sozialisten anderer politischer Strukturen, Christen, Demokraten ergriffen selbst die Initiative oder wurden von den Besatzern gewonnen, um eine antifaschistische Verwaltung aufzubauen. "Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg" war die von ihnen akzeptierte Losung, die mit Mühe der deutschen Bevölkerung eingetrichtert wurde, bis viele einst Verblendete sie akzeptierten.

Diese basisdemokratischen Strukturen und der von unten unternommene Versuch, die Einheit der Arbeiterbewegung mit Sozialdemokraten und Kommunisten herzustellen, wirkten und hatten dennoch keinen dauerhaften Bestand. Allen Besatzungsmächten war zu viel Basisdemokratie ohne ihre Kontrolle ein Gräuel. Alsbald sorgte der aufkeimende Kalte Krieg für eine Kanalisierung und Fokussierung dieser antifaschistischen Strukturen in die Gesellschaftskonzepte der Sieger.

1945 waren sie noch scheinbar identisch. In Jalta und in Potsdam waren die Grundregeln für ein langfristig vielleicht wieder zu vereinigendes Deutschland aufgestellt: Denazifizierung, Demilitarisierung Dezentralisierung und Demokratisierung – so wie in Potsdam gefordert – sollten umgesetzt werden. Ebenso, dass sie die kapitalistischen und junkerlichen Besitzstände angriffen. Dieser demokratische Aufbruch prägte bei allen Unterschieden und Einwirkungen den Charakter der beiden künftigen deutschen Staaten.

Bodenreform, Enteignung der Nazi- und Kriegsverbrecher, eine umfassende Entnazifizierung in Wirtschaft wie Verwaltung und eine demokratische Schulreform waren der Versuch in der SBZ, die strukturellen Ursachen des Faschismus zu beseitigen. Infolge ihrer stalinistischen Überformung und der dementsprechenden Art ihrer Durchsetzung wurde jedoch der antifaschistisch-demokratische Konsens zwischen den Arbeiter- und den bürgerlichen Parteien schweren Belastungen ausgesetzt und die anfänglichen demokratischen Ansätze zunehmend beseitigt. Im Osten wurden mit der Übernahme des stalinistischen Modells Sozialdemokraten und Bürgerliche, die sich dem nicht unterwarfen ausgeschaltet.

Wiederherstellung der bürgerlichen Freiheiten, parlamentarische Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie schließlich auch die europäische Integration waren die Antworten, die in den westlichen Besatzungszonen bzw. der frühen Bundesrepublik auf den Faschismus gegeben wurden. Die Beseitigung seiner strukturellen Ursachen, die kapitalistischen Eigentums- und Produktionsverhältnisse, scheiterten trotz der hier ebenfalls vorhandenen Ansätze. Denn selbst in den westlichen Besatzungszonen stand Antiimperialismus, ja Antikapitalismus zunächst hoch im Kurs. Es sollte Gemeineigentum im Bergbau, in der Eisen- und Stahlindustrie, der Energiewirtschaft und gar bei Großbanken und Versicherungen geben.

Die West-CDU versprach in ihrem Ahlener Programm noch im Februar 1947 die Überwindung des Kapitalismus und eine "gemeinwirtschaftliche Ordnung". Ein solcher Schritt bedeutet: "Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein." Erst der aufziehende Kalte Krieg setzte diesen antikapitalistischen "Verirrungen" ein Ende. Kommunisten und ihre Sympathisanten wurden im Westen aus Parlamenten und Medien verdrängt, "gefährliche" Verfassungsartikel wie der zur Vergesellschaftung in Hessens Landesverfassung vom Dezember 1946 von der Besatzungsmacht suspendiert. Der antikommunistische Grundkonsens in der frühen Bonner Republik ermöglichte es einem Großteil der wirtschaftlichen und politischen Alt-Eliten, die das Nazi-Regime einst mitgetragen hatten, ihren gesellschaftlichen Einfluss zurückzugewinnen. Es brauchte 40 Jahre, bis in der Bundesrepublik der 8. Mai 1945 staatsoffiziell mit der Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker als Tag der Befreiung anerkannt wurde.

Hoffnungen nicht nur für ein postfaschistisches Europa

Ein Blick auf Europa in Ost und West zeigte, dass dieser antifaschistische, oft antikapitalistische Zug auch die Nachkriegsordnungen sowohl in Osteuropa, dort unter dem Schutz und oft mit Nachhilfe der sowjetischen Bajonette, wie in Westeuropa bestimmte.

Vor allem aber war in vielen Teilen Europas der Befreiungskampf der "Resistenza" oder "Résistance" mit der Schaffung eigener Widerstandsorganisationen verbunden gewesen, den Partisaneneinheiten oder der Bildung von Befreiungskomitees. Das Versagen der Vorkriegsregierungen, die Kollaboration von Teilen der wirtschaftlichen und politischen Eliten, soweit dies die faschistischen Eroberer zuließen, diskreditierten den Kapitalismus. Nur selten artikulierte sich aber in der Widerstandsbewegung auch eine auf das ganze Europa zielende Perspektive wie im Manifest von der italienischen Gefängnisinsel Ventotene vom Sommer 1941, in der je ein Mitglied der KP, der Sozialisten und der radikaldemokratischen Aktionspartei die Perspektive einer europäischen Föderation auf der Grundlage einer sozialistischen Wirtschaft forderten. Doch diese Perspektive wurde bereits im Verlauf der Kämpfe und dann beim Sturz des Faschismus zunehmend aufgegeben, da sie im Widerspruch zu den Absprachen der Siegermächte gestanden hätte.

Ungeachtet dessen suchten Linke mit kommunistischen und sozialdemokratischen Wurzeln, bürgerliche Demokraten in alle diesen Ländern einen Neuanfang, waren in Regierungen vertreten. Wahlerfolgen der britischen Labour Party im Juli 1945, der französischen Linken und der Kommunisten in der Tschechoslowakei sowie die Beteiligung kommunistischer Parteien an Regierungen auch in Westeuropa zeigten: Die radikale Linke hatte sich in den meisten Ländern durch ihren konsequenten, oft bewaffneten und opferreichen Kampf einen festen Platz nicht am Rande sondern inmitten des demokratischen Systems erkämpft und Verbindungen zu anderen linken und bürgerlich-demokratischen Kräften aufgebaut. Konsequenter Antifaschismus und Vergesellschaftung, aber vor allem die Lösung der drängendsten Probleme der Menschen bestimmten die Arbeit der neuen Machtorgane. Auch hier beendete der Kalte Krieg diese Entwicklung. Antikommunismus und die Furcht vor vermuteter sowjetischer Bedrohung verhärteten die Fronten ebenso wie die oft konfrontative Politik der Sowjetunion in den osteuropäischen Ländern gegen politische Gegner. Das britische Vorgehen gegen die kommunistische Partisanenbewegung in Griechenland ab 1944 und die Unterdrückung des nichtkommunistischen Teils der Widerstandsbewegungen in Osteuropa durch die UdSSR zeigten, dass die zukünftige Gestaltung Europas von den Machtinteressen der Siegerstaaten bestimmt wurde.

Gleichzeitig erschütterten der Zusammenbruch der Achsenmächte und der Sieg der Alliierten auch die Länder des globalen Südens. Die Kolonien und abhängigen Gebiete der westlichen Sieger in Paris, London, aber auch in Den Hag und Washington wurden mit Forderungen und teilweise neuen Machtstrukturen konfrontiert. Wie schon nach dem Ersten Weltkrieg, damals enttäuscht und vergessen, forderten diese Völker, die wesentlich zum alliierten Sieg beitrugen und selbst unter dem Terror der deutschen, italienischen und nicht zuletzt japanischen Besatzer gelitten und geblutet hatten, ihre nationale Unabhängigkeit und sozialen Wandel. Doch die Kolonialmächte hofften darauf, ihre Herrschaft würde trotz der Erschütterungen (z. B. durch die Mobilisierung von Kolonialtruppen für die Kriegsschauplätze in Europa, Afrika oder Asien) aufrechterhalten werden können. In manchen Fällen gelang es nicht aufgrund der Größe des Landes und der Schwäche der Kolonialmächte (etwa im Fall des britischen Kolonialreichs auf dem indischen Subkontinent) das zu verhindern. In anderen Fällen wurde Waffengewalt eingesetzt (z.B. Algerien, Indochina, Indonesien, Philippinen) und es entwickelten sich langjährige Unabhängigkeitskämpfe. Letztlich wurden in den beiden folgenden Jahrzehnten die Landkarten neu gezeichnet: In Afrika, in Palästina mit den Besonderheiten einer neuen, wie sich zeigen sollte nicht unproblematischen jüdischen Heimstatt, noch mehr auf dem indischen Subkontinent mit der doppelten Staatsbildung durch Indien und Pakistan.

Der erfolgreiche nationale Befreiungskampf des vietnamesischen und chinesischen Volkes gegen die Japaner gipfelte in beiden Ländern in nationaldemokratische Befreiungsrevolutionen mit sozialistischen Ambitionen. In Indochina stellte sich ihnen die französische Kolonialmacht, deren "Erbe" die USA antraten, entgegen. In China scheiterte trotz massiver US-Unterstützung der nationalchinesischen Kräfte der Krieg gegen die dortigen Kommunisten. Beide Kriege, die letztlich für Hanoi wie Peking siegreich enden sollten, waren alsbald Teil jenes neuen Krieges, des Kalten, der in diesen Regionen heiß ausgetragen wurde. Zu erinnern ist aber auch an den nationalen Befreiungskampf der Völker Indonesiens gegen ihre niederländischen Kolonialherren, die es nicht verwinden konnten, dass das Vertreiben der japanischen Besatzer in Djakarta zu nationaler Befreiung führen sollte. Erst 15 Jahre nach Kriegsende markierte nach blutigen Kolonialkriegen und Aufstandsbekämpfungen das "Afrikanische Jahr" 1960 und seine Folgejahre den zumindest staatlichen Unabhängigkeitsweg wenigstens auf diesem Kontinent.

Enttäuschung – die neue Weltordnung

In San Francisco legten im Juni 1945 51 Nationen die Grundlagen einer internationalen Vertragsordnung, die der Vereinten Nationen. Ihre Charta war ebenso kühn und anspruchsvoll, obschon sie ihrer Zeit zu weit voraus war. "Wir, die Völker der Vereinten Nationen – fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren ..., unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß oder klein, erneut zu bekräftigen, Bedingungen zu schaffen, unter denen Gerechtigkeit und die Achtung vor den Verpflichtungen aus Verträgen und anderen Quellen des Völkerrechts gewahrt werden können, den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern." Weltfrieden, ein System der Konfliktverhinderung und eine menschengerechte Ordnung sollten ihr Handeln fürderhin bestimmen. Der dafür auserkorene Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit seinen Veto-Mächten USA, Großbritannien, Sowjetunion und zunächst der Republik China (faktisch Taiwan, ab 1971 ersetzt durch die Volksrepublik China) konnte diese Aufgabe nicht erfüllen. Die Interessen der Großmächte blockierten die Chancen einer einvernehmlichen Friedensordnung.

Zu den Enttäuschungen der Geschichte gehört, dass zeitgleich und von den westlichen Mächten um die USA und Großbritannien vorangetrieben ein Kalter Krieg eingeleitet wurde. Die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki gaben das Fanal, die bislang gute Zusammenarbeit mit der nun wieder als Konkurrent betrachteten sowjetischen Großmacht und ihrem Bündnis- und Einflusssystem zu lockern und schrittweise in eine Konfrontation mit dem Ziel zunächst der "Eindämmung", später der "Befreiung" überzugehen. Schnell zeigte sich, dass die in Jalta und Potsdam festgeschriebene postfaschistische Weltordnung eine der Bipolarität war, die das mit dem Sieg über die Achsenmächte zementierte Kräfteverhältnis und Einflusszonen festschrieb.

Keine der Siegermächte konnte unbefleckt in diese neue Situation eintreten, so ruhmreich und edel ihr Befreiungskampf gegen den Faschismus in seinen Spielarten war. Die eigene Einflusszone wurde mit allen Mittel verteidigt, die Kriege in Vietnam und Korea ebenso wie die Bestandssicherungen in Ostberlin, Budapest und Prag zeigten, dass die eigene Einflusszone gesichert wurde und ein Ausbrechen außer in jenen Regionen, in denen diese Zonen nicht so fest zementiert waren, verhindert werden sollte. Gleichzeitig sind die vier Jahrzehnte dieser bipolaren Weltordnung aber auch durch Schwankungen in der Intensität der Konfrontation und besonders nach den fast-apokalyptischen Erfahrungen der Krisen von Berlin und Kuba 1961 und 1962 durch den Versuch gekennzeichnet, diese Bipolarität neu festzuschreiben. Durch Kooperation, Verständigung und Abrüstungsverträge sollte die Gefahr einer nuklearen Katastrophe gemindert werden. Erst die zunehmende Schwäche der Sowjetunion und ihrer Verbündeten, ihre ökonomische Stagnation und das Schwinden der Bindekraft der sozialistischen Ideologie eröffneten Ausgang der 1980er Jahre einen Ausbruch aus den festgefügten Strukturen des Kalten Krieges und der Bipolarität.

Der Zusammenbruch des osteuropäischen Realsozialismus schien den Westen triumphieren zu lassen und eine unilaterale Weltordnung jenseits von Jalta und Potsdam zu ermöglichen. In der Gegenwart erleben wir, dass dieser Triumph des Westens und seiner Führungsmacht USA in Frage gestellt wird, dass manche die "ruhigen" Zeiten der Bipolarität zurücksehnen und sich ein konfliktreicher Prozess auf dem Weg zu einer möglichen multipolaren Weltordnung abzeichnet.

Was gegen den Faschismus half

Nur das Zusammenwirken von sonst verfeindeten politischen Kräften und Staaten ermöglichte jene klassen-, staaten- und ideologieübergreifende Anti-Hitlerkoalition, die die Einsicht vereinte, dass der deutsche Faschismus samt seiner Verbündeten in Rom und Tokio mit der menschlichen Zivilisation, der Anerkennung mannigfacher Ethnien, Gesellschaftskonzepten, mit elementaren demokratischen Prinzipien und Strukturen gebrochen hatte und bereit war, seine Vorherrschaftsansprüche mit Krieg, Terror, Völkermord umzusetzen.

Die Anti-Hitlerkoalition war letztlich ein Bündnis auf Zeit. Es sicherte während seines kurzen Bestehens ein Mindestmaß an Vertrauen, Empathie für Bündnisgenossen und praktische Solidarität. Das schloss Alleingänge und Egoismen nicht aus, hielt aber solange der Gegner sie bedrohte. Es war ein Bündnis, das bewusst auf Kritik und Verurteilung der politischen Wege vor dem großen Krieg verzichtete, egal, ob es um Appeasement des Westens, dessen Verrat an der Spanischen Republik und der Tschechoslowakei ging oder um Nichtangriffs- und Freundschaftsverträge Moskaus mit dem künftigen Feind. Die Koalitionäre hatten ihre Ambitionen und Vorlieben, die es im Bündnisgebälk knirschen ließ, aber sie rauften sich in Teheran 1943, dann 1945 in Jalta und Potsdam zusammen und vereinbarten – auch über die Köpfe der betroffenen Völker hinweg – eine Weltordnung, die für mehr als vier Jahrzehnte den Rahmen setzte.