"Fall Barbarossa". Der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion
Vortrag von Karl-Heinz Gräfe, Freital, in der Sitzung der Historischen Kommission
Die Überlegungen wollen an einen beispiellosen Krieg Deutschlands gegen die UdSSR erinnern, der vor 75 Jahren am 22. Juni 1941 begann und am 8. Mai 1945 endete. Zum 70. Jahrestag des "Unternehmens Barbarossa" widmete der Bundestag noch eine Debatte im Zeitumfang einer Schulstunde. Die höchste Volksvertretung des einstigen Täterlandes erinnerte zwar an schreckliche Ereignisse, Verbrechen und Opfer. Im Dunkeln blieben die Ursachen und Verursacher. Als treibende Kraft wurden u.a. Hitler und sein politisches Regime ausgemacht. Kein Wort fiel über andere Hauptverantwortlichen des Vernichtungskrieges - das deutsche Industrie- und Bankkapital, Großgrundbesitzer oder die Wehrmacht. Kein Wort über die missbräuchliche Mobilisierung des deutschen Volkes gegen seine ureigensten Interessen. Verschwiegen wurden die Zusammenhänge zum Ersten Weltkrieg als einen Krieg zwischen den kapitalistischen Staaten oder zum den nachfolgenden Interventionskrieg eines Dutzend kapitalistischer Staaten 1918-1920 gegen das sozialistische Sowjetrussland, einschließlich des von Deutschland erzwungenen Raubfriedens in Brest-Litowsk. Kein Thema war, dass der Großen Vaterländischen Krieges 1941-1945 - die entscheidende Gegenbewegung zum deutschen imperialistischen Expansions- und Vernichtungskrieg - den Ausschlag für Befreiung der Menschheit vom Faschismus gab. Fünf Jahre später ist das welthistorische Ereignis offenbar kaum der Rede wert. Man gedenkt vordergründig wie in Zeiten des Kalten Krieges - zwei Tage vor dem Jahrestag des Überfalls auf die UdSSR - der "Opfern von Flucht und Vertreibung".
Das alles hat seine Gründe: Seit einem Vierteljahrhundert führt der Kriegspakt NATO, der sich unentwegt und bedrohlich gegen Russland ausdehnt unter Führung der USA und maßgeblicher Teilnahme Deutschlands und andere EU-Staaten offene und verdeckte militärische Aggressionen: von den Kriegen am Golf und in Jugoslawien über die in Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien bis hin zur Ukraine. Nach dem Motto "Haltet den Dieb" wird der sowjetische Nachfolgestaat Russland hingegen als Bedrohung, Kriegstreiber und Verletzer von Völker- und Menschenrechten ausgemacht. Die damit einhergehende erneute wiederbelebte Russlandhetze, die begleitet wird von Droh- und Sanktionspolitik. Worauf legen es die NATO-Staaten, die USA und EU an? Wollen sie ein Zurück Russlands in die Zeiten unter Jelzin oder kalkulieren sie gar einen Atomkrieg ein, wohl wissend, dass Russland über Atomwaffen verfügt? Es ist also aktuell und dringlich an den Völkermordkrieg Nazideutschlands gegen die UdSSR 1941-1945 zu erinnern. Geblieben sind historische Erfahrung bis in unsere Tage: Der Aggressor hält Kriegsvorhaben und modernste Waffentechnik streng geheim, täuscht raffiniert den geplanten Angriff als Sicherheitsmaßnahme oder gar als Kampf für Frieden vor. Er schürt Bedrohungsängste, die ausgemachten Kriegsopfer werden von den realen Gefahren abgelenkt, ihre Wachsamkeit eingeschläfert. Das praktizierte die Faschisten-Clique 1938-1941 an einem Dutzend europäischer Staaten, am perversesten und perfektesten an der UdSSR 1941-1945.[1] Es ist daher nur zu verständlich, dass die Bundestagsfraktion Die Linke eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung aus Anlass des bevorstehenden 75.Jahrestages des Überfalls auf die UdSSR richtete.[2]
Im folgendem behandle ich den geschichtlichen Platz des Krieges Nazideutschlands, also des "Unternehmens Barbarossa" als eine bis dahin so nicht gekannte militärische Aktion, die letztlich das Wesen des zweiten Weltkrieges bestimmte. Im zweiten Teil konkretisiere ich anhand der programmatischen Vorbereitung und Ausrichtung Vernichtungskrieges gegen die UdSSR, also den "Fall Barbarossa". Das reicht von der Zielsetzung in Hitlers Buch "Mein Kampf" über die Aufrüstung Nazideutschlands im Vierjahresplan bis zu dem konkreten Entschluss vom 31. Juli 1940, den Krieg gegen die UdSSR und der Weisung Nr. 21 ("Fall Barbarossa") vom 18. 12. 1940 wie den danach erfolgten ständig veränderten und fortgeschriebenen Planungen des Vernichtungs- und Völkermordkrieges ("Generalplan Ost").
I. "Unternehmen Barbarossa" - Vernichtungskrieg Deutschlands und seiner Verbündeten gegen die Menschheit
1. Der erster Versuch des kaiserlich-kapitalistische Deutschlands (im Bündnis mit Österreich-Ungarn und dem Osmanischen Reich) 1914-1918, Europa und die Welt neu seinem Gunsten aufzuteilen, scheiterte. Der Versailler Vertrag 1919 verkleinerte Deutschland territorial, schränkte seine künftigen kriegerischen Expansionsmöglichkeiten zunächst erheblich ein (Demilitarisierung, Rüstungsverbote, zeitweilige Besetzung). Der Weltkrieg 1939-1945, der schon durch lokale Kriege Italiens, Japans und Nazideutschlands ein Jahrzehnt zuvor begann[3], gilt als zweiter militärischer Versuch der von Deutschland angeführten faschistischen Staatenkoalition, die Welt neu aufzuteilen und diese zu beherrschen. Dieser Versuch wurde zur größten Katstrophe der Menschheit im 20. Jahrhunderts.
Wie konnte es dazu kommen? Nach dem Ersten Weltkrieg war eine zum Kapitalismus alternativen staatssozialistischen Gesellschaft auf einem Sechstel der Erde in Gestalt der Großmacht UdSSR entstanden. Für die kapitalistischen Hauptmächte vor allem in Europa erschien der sowjetische Staatssozialismus als eine existentielle Systemgefahr. Aber auch eine neuen Abart des Kapitalismus, der Faschismus entstand [4] - zuerst 1922 in Italien, 1933 in Deutschland, 1936 Spanien sowie in nationalen Formen auch in Rumänien, Bulgarien, Kroatien, im Baltikum und in der Slowakei. Der Zweite Weltkrieg war also nicht nur ein Krieg um die Neuaufteilung Europas und der Welt, sondern vor allem ein Krieg zwischen zwei Gesellschaftsordnungen und Weltanschauungen - zwischen der staatssozialistischen UdSSR einerseits und der politisch-militärischen Koalition des deutschen und italienischen Faschismus mit dem militaristisch-rassistische Tenno-Regime in Gestalt Antikominternpakt seit November 1936[5], später des Dreimächtepakt Berlin-Rom-Tokio September 1940[6]. "Anders als 1914 gab es 1939 in Europa nur einen Staat, der den Krieg geplant, ihn wollte und begann: das faschistische Deutschland und dessen Revanche- und expansionshungrigen Kreise in Politik, Militär und Wirtschaft."[7] Weder die UdSSR noch Großbritannien, Frankreich, Polen oder die USA haben eine Anteilhabe an der Urheberschaft des Zweiten Weltkrieges. Es bleibt deshalb eine Lüge, wenn behauptet wird, die Diktatoren Hitler und Stalin (Nichtangriffspakt 23. August 1939, Freundschafts- und Grenzvertrag 28. September 1939) hätten "sich die Kriegsschuld zu teilen."[8] Ebenso so unwahr ist auch, westlichen Demokratien (Münchner Abkommen 1938) hätten sich die Kriegsschuld mit Nazideutschland zu teilen. Wenn Deutschland und Japan die Hauptschuldigen des Zweiten Weltkrieges waren, dann ist es völlig unangemessen, dass die Staaten, die von Deutschland und Japan überfallen wurden und Anteil an der Befreiung von diesen Geiseln der Menschheit hatten, sich für die im Zweiten Weltkrieg entstandenen Folgen entschuldigen. Berlin und Tokio tragen letztlich auch die Verantwortung für die Folgen, die ihren Ländern durch den Abwehrkampf der Alliierten widerfuhren - für die Bombardements ihrer Städte, für die Millionen Flüchtlinge und Kriegsgefangene; auch wenn einige der alliierten Kriegsaktionen nicht die erhoffte raschere Beendigung des Krieges brachten.
2. Aber eines steht auch fest: "Die Urheberschaft für die Ausgangsituation des Krieges, gehörte wesentlich den Regierungen Großbritanniens und Frankreichs. Sie hatten zu ihr doppelt beigetragen, zum einen durch ihre verfehlte Diplomatie, die an die Stelle der Abschreckung des Aggressors dessen partielle Befriedigung und die Förderung seiner nach Ost- und Südosteuropa gerichteten Stoßrichtung setzte. Zum anderen dadurch, dass sie spät und ungenügend die Herausforderung durch die deutsche Hochrüstung reagierten und eigene Bevölkerung nicht entfernt auf eine mögliche Aggression des deutschen Faschismus einstellten. Beteiligt war am Zustandekommen dieser Konstellation von den großen Kleinstaaten in Osteuropas vor allem Polen. Dessen Regierung hatte jeden Schritt hin zur kollektiven Sicherheit blockiert und sich selbst an der Liquidierung der Tschechoslowakei bereichert. […] Das alles bedeutet jedoch nicht Teilhabe an der Urheberschaft des Krieges."[9] Zu dieser Feststellung des Berliner Historikers Kurt Pätzolds füge ich einen weiteren Urheber für die Ausgangssituation des Krieges 1939 hinzu: Die UdSSR. Sie war nach der britisch-französischen Ablehnung eines Militärbündnisses im August 1939 - also einer möglichen Antihitlerkoalition - nun notgedrungen mit Nazideutschland Vereinbarungen abschloss (Nichtangriffspakt mit geheimem Zusatzabkommen vom 23.August 1939, Freundschafts- und Grenzvertrag vom 28.September 1939)) und zehn Monate lang ebenfalls eine Beschwichtigungspolitik gegenüber der faschistischen Expansionspolitik betrieb. Sie beteiligte sich seit 1939/40 an der Zerstörung der völkerrechtlichen Versailler Nachkriegsordnung, erkannte - wie die Westmächte - bis zum Juni 1941 ebenfalls nicht, was für ein beispielloser Weltkrieg im Gange.[10] Stalin nahm zwischen von Sommer 1939 bis Juni 1941 an, dass der beginnende Weltkrieg - ähnlich wie der 1914-1918 - nur ein Krieg zwischen den kapitalistischen Ländern bleiben wird.[11]
3. Weltkrieg II unterschied sich - trotz unübersehbarerer Kontinuitäten - aber vom vorangegangenen auch aus einen weiterem Grund: Er war zugleich auch ein weltanschaulicher und rassebiologischer Vernichtungskrieg Nazideutschlands und seiner Verbündeten, geprägt durch die faschistische, sozialdarwinistische Rassenideologie, den Antisemitismus, Antikommunismus und Antirussismus. Der Krieg war nicht nur gegen die "jüdisch-bolschewistische" Sowjetunion ausgerichtet, sondern generell auf Massenvernichtung von Juden, Slawen, Roma und Sinti, auf Unterwerfung und Versklavung der sog. nichtarischen Völker. Diese Abart des kapitalistischen Systems, der Faschismus, entschied, wer von der Gattung Homo sapiens weiter leben darf, wer physisch vernichtet wird, aus seiner Heimat deportiert oder zur Sklavenarbeit verdammt ist.[12] Dass es kein bisher üblicher, "normaler Krieg" war, zeigte schon beim Anschluss Österreichs ("Sonderfall Otto")[13], besonders mit Annexion der Tschechoslowakei (Fall Grün")[14] Besetzung Polens ("Fall Weiß")[15], vor allem aber im Krieg gegen die UdSSR seit dem 22. Juni 1941.[16]
Die Faschismusdefinition der Komintern auf dem VII. Weltkongress 1935 verweist auf den rasseideologischen Charakter des faschistischen Regimes: "Der Faschismus an der Macht […] ist […] die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals. Der deutsche Faschismus spielt die Rolle des Stoßtrupps der internationalen Konterrevolution, des Hauptanstifters des imperialistischen Krieges, des Initiators eines Kreuzzuges gegen die Sowjetunion […] Der Faschismus in der Außenpolitik ist der Chauvinismus in seiner brutalsten Form, der einen tierischen Hass gegen andere Völker kultiviert."[17] Sicherlich waren damals nur die Konturen, nicht die gesamte Dimension dieser menschen- und völkerfeindlichen Politik erkennbar. Allerdings war diese Erkenntnis seit den Abkommen zwischen UdSSR und Deutschland 1939 nicht mehr Grundlage in der Politik der sowjetischen Führung und wurde bewusst zurückgedrängt.
II. Planung des Blitz- und Vernichtungskrieges ("Fall Barbarossa")
1. Hitler bestimmte als zentrales außenpolitisches Ziel seiner Partei wie auch der von ihm geleiteten Regierung seit 1933 die Gewinnung von sog. Lebensraum im Osten: "Wir setzen dort an, wo man vor sechs Jahrhunderten endete. Wir stoppen den ewigen Germanenzug nach dem Süden und den Westen Europas und weisen den Blick nach dem Osten. […] Wenn wir aber heute in Europa von Grund und Boden reden, können wir in erster Linie nur an Russland und die ihm untertanen Randstaaten denken. […] In dem Russland dem Bolschewismus überantwortete, raubte es dem russischen Volk jene Intelligenz, die bisher dessen Bestand herbeiführte und garantierte. Denn die Organisation eines russischen Staatsgebildes war nicht das Ergebnis der staatspolitischen Fähigkeiten des Slawentums in Russland als vielmehr ein wundervolles Beispiel der staatsbildenden Wirksamkeit des germanischen Elements in einer minderwertigen Rasse."[18] Das Slawentum wäre vor allem durch die "jüdisch-bolschewistische" Revolution 1917 zersetzt worden. Der erfolgreiche Kampf gegen das herrschende Judentum richte sich auch auf die Vernichtung der UdSSR als Staat. Deshalb könne Russland niemals Verbündeter Deutschlands sein![19] Die zur Führung der Welt ausersehene sog. germanisch-nordische Rasse müsse deshalb mit Gewalt das gesamte osteuropäische und sowjetische Territorium erobern und besetzen, auf Kosten der hier lebenden angeblich minderwertigen Rassen wie der Slawen. Der Kampf um die Hegemonie in der Welt werde "für Europa durch den Besitz des russischen Raumes entschieden: er macht Europa zum blockadefestes Ort der Welt."[20]
Bereits in der Phase der Aufrüstung im Vierjahrplan wird faktisch dieses Konzept über den neuen Krieg zur Erringung der deutschen Weltherrschaft entworfen, nicht nur von Reichskanzler Hitler und seinem staatlichen Herrschaftssystem, sondern in nahezu völliger Einmütigkeit von Vertretern des Industrie- und Finanzkapitals.[21]
Denkschrift des Industriellen Hermann Röchling vom 17.August 1936: "Im Osten steht Russland mit seiner kommunistischen Staatsauffassung und der Gottlosen-lehre im schärfsten Gegensatz zum nationalsozialistischen Deutschland, das ihm den Weg zur Weltrevolution versperrt. Deutschland hat mit seinem Antisemitismus dem in Russland absolut herrschenden Judentum und dem Judentum der Welt, dem einflussreichsten Vorkämpfer des Bolschewismus, den schärfsten Kampf angesagt. Indem es den Juden in Deutschland das Leben immer schwerer macht, sie dadurch aus dem Land treibt und überall, wo diese Flüchtlinge hinkommen, den Antisemitismus mächtig anschwellen lässt, rührt es an das Leben schlechthin der jüdischen Rasse. Im Westen sehen wir die Entwicklung immer mehr zum Bolschewismus hinübergleiten. […] Es ist nicht zu sehen, worin die Möglichkeit bestehen sollte, den Entscheidungskampf zwischen Bolschewismus und Nationalsozialismus zu vermeiden. […] Das Fazit aller dieser Überlegungen ist also, dass der Krieg fast unvermeidlich ist. […] Der kommende Krieg wird in erster Linie ein Krieg der Technik sein, wobei höchste Technik, höchster Mannesmut und größte Kraft zur Ertragung von Entbehrungen vielleicht den Sieg ermöglichen." Der deutsche Stahlindustrielle machte seinen Partner, Reichskanzler Hitler auch deutlich, wo u.a. dessen Aufgabe besteht: "So wichtig diese Dinge sind, das Wichtigste ist immer, daß das Volk stark genug gemacht wird, die Belastungen auszuhalten, die ein solcher Krieg bedeutet."[22]
Denkschrift Hitlers vom 26. August 1936 (auf der Grundlage von Zuarbeiten von einer Expertengruppe des IG-Farbenkonzerns unter Leitung von Karl Krauch): "Seit dem Ausbruch der französischen Revolution treibt die Welt in immer schärferen Tempo in eine neue Auseinandersetzung, deren extremste Lösung Bolschewismus heißt, deren Inhalt und Ziel aber nur die Beseitigung und Ersetzung der bislang führenden Gesellschaftsschichten der Menschheit das international verbreitete Judentum ist. […] Seit sich der Marxismus durch seinen Sieg in Russland eines der größten Reiche der Welt als Ausgangsbasis für seine weiteren Operationen geschaffen hat, ist diese Frage zu einer bedrohlichen geworden. […] Europa hat zur Zeit nur zwei dem Bolschewismus gegenüberstehende Staaten: Deutschland und Italien. Die anderen Länder sind {…] durch ihre demokratischen Lebensform zersetzt, marxistisch infiziert […]. Alle diese Länder wären unfähig, jemals einen aussichtslosen Krieg gegen Sowjetrussland zu führen. Wie denn überhaupt außer Deutschland und Italien nur noch Japan als eine Weltmacht der Weltgefahr gegenüber standhalten Macht angesehen werden kann. […] Wenn es uns nicht gelingt, in kürzester Zeit die deutsche Wehrmacht in der Ausbildung, in der Aufstellung der Formationen, in der Ausrüstung und vor allem der in der geistigen Erziehung zur ersten Armee der Welt zu entwickeln, wird Deutschland verloren sein. […] Es haben sich daher dieser Aufgabe alle anderen Wünsche bedingungslos unterzuordnen. […] Wir sind überbevölkert und können uns auf der eigenen Grundlage nicht ernähren. […] die endgültige Lösung liegt in der Erweiterung des Lebensraumes bzw. der Rohstoffe und Ernährungsbasis unseres Volkes. […] Ich stelle damit folgenden Aufgaben: I. Die deutsche Armee muß in 4 Jahren einsatzfähig sein. II. Die deutsche Wirtschaft muß in 4 Jahren kriegsfähig sein."[23]
Auch die direkte Vorbereitung und Planung des Krieges zeigt, das Zusammenwirken und die Interessengemeinschaft von faschistische Führung und Bewegung, der Ministerialbürokratie, Wehrmacht, Finanz- und Industriekaptal. Erinnert sei an die Besprechung Hitlers mit der Militärführung am 5. November 1937 (Hoßbachprotokoll). Hier wurde die Annexion Österreichs und der Tschechoslowake entschieden - der erste Schritt zur Lösung der sog. Raumerweiterung durch Gewalt. Die "Einverleibung der Tschechei und Österreichs (könne) den Gewinn von Nahrungsmitteln für 5-6 Millionen Menschen bedeuten unter Zugrundelegung, dass eine zwangsweise Emigration aus der Tschechei von zwei, aus Österreich von einer Million Menschen zur Durchführung."[24] In einer Denkschrift an Hitler fordert Arnold Rechberg im November 1938 nicht nur die weitere Aufhebung von Rüstungsbeschränkungen, sondern auch die Expansion in Länder, die reich an Agrarprodukten und Rohstoffen sind: "Für Deutschland ist als Expansionsobjekt das durch den Bolschewismus seiner Intelligenz, seines Kapitals und seiner Wirtschafts-Prosperität beraubt, aber in seinem möglichen Agrarertrag und nicht gehobenen Rohstoffen unberechenbare reiche Russland gegeben. Soll eine Expansion in diesem Gebiet ausreichend sein, um Deutschland zum Imperium mit sich selbst genügsamen Agrar-und Rohstoffbasis zu machen, so müsste sie zu mindestens das russische Gebiet bis einschließlich des Urals mit seinen gewaltigen Erzvorkommen umfassen." Wenn dafür andere europäische Großmächte nicht zu gewinnen seien, "dann darf und muss, nach meiner Ansicht, das Risiko des deutschen Expansionskrieges gegen Osten auch gegen den Widerstand der Westmächte gelaufen werden."[25]
2. "Fall Barbarossa". Im Zusammenhang mit der Eroberung, Besetzung und Zerschlagung Polens erklärte Hitler vor den Oberbefehlshabern der Wehrmacht am 23. November 1939 das nächste Kriegsziel: "Ich habe lange gezweifelt, ob ich erst im Osten und dann im Westen losschlagen sollte. Grundsätzlich habe ich die Wehrmacht nicht aufgestellt, um nicht zu schlagen. […] Wir können Russland nur entgegentreten, wenn wir im Westen frei sind."[26] Damit war entschieden, dass erst mit der Eroberung und Besetzung Westeuropas im Sommer 1940, die konkrete Entscheidung für den Krieg gegen die UdSSR fallen wird. Am 29. Juli 1940 war bereits die erste Operationsstudie in Auftrag gegeben worden ("Aufbau Ost"), die am 2. August 1940 vorlag. Die Tagebucheintragung von Generalstabschef Franz Halder vom 22. Juli 1940 belegt das: "Russisches Problem in Angriff nehmen. Gedankliche Vorbereitungen treffen. Dem Führer ist gemeldet: a) Aufmarsch dauert 4-6 Wochen b) Russisches Heer schlagen oder wenigstens so weit russischen Boden in Hand nehmen, als nötig ist."[27] Am 31. Juli 1940 fasst Hitler den Entschluss, den Krieg gegen Russland im Mai 1941 zu beginnen.[28] Am 5. August 1940 war ein weitere Variante ausgearbeitet worden - "Operationsentwurf Ost" ("Plan Fritz").[29] Die "Operationsstudie Ost" (Loßberg) lag am 15. September 1940 vor.[30]
Das deutsch-sowjetische Treffen zwischen Molotow und Hitler im November 1940 war lediglich ein Ablenkungsmanöver, sollte die Vorbereitung des Angriffskrieges verschleiern, vor allem durch den dreisten Vorschlag, ein Abkommen zwischen dem faschistischen Dreimächtepakt (Deutschland-Italien-Japan) und der UdSSR abzuschließen. Ungeachtet dessen liefen vor und nach diesem Treffen die Kriegsplanungen weiter. Das Oberkommando des Heeres schloss die Planungen Mitte November 1940 ab. Dieser "Plan Otto" wurde in einem Planspiel (29. November - 7. Dezember 1940) überprüft und danach im OKH-Stab erörtert.[31] Auf dieser Grundlage wurde die Weisung Nr. 21 unter dem Tarnnamen "Barbarossa" in neun Exemplaren fertiggestellt und am 18. Dezember 1940 von Hitler unterzeichnet: "Die deutsche Wehrmacht muß darauf vorbereitet sein, auch vor Beendigung des Krieges gegen England Sowjetrußland in einem schnellen Feldzug niederzuwerfen (Fall Barabrossa). […] Vorbereitungen […] sind schon jetzt in Angriff zu nehmen und bis zum 15.Mai 1940 abzuschließen. Entscheidender Wert ist darauf zu legen, dass die Absicht eines Angriffs nicht erkennbar wird. […] Die im westlichen Russland stehende Masse des russischen Heeres soll in kühnen Operationen unter weitem Vortreiben von Panzerkeilen vernichtet werden. Das Endziel der Operation ist die Abschirmung gegen das asiatische Russland aus der Linie Wolga-Archangelsk"[32]
Es folgten bereits am 31. Januar 1941 die Aufmarschanweisung "Barbarossa", die bis Mitte Juni 1941 fortgeschrieben wurde.[33] Am 3. April 1941 entschied der Chef des OKW: Der Zeitpunkt für Barbarossa wird sich durch die Balkan-Operation voraussichtlich um mindestens vier Wochen verschieben."[34] Vor allem im Interesse der Geheimhaltung wurden die Hauptverbündetet Italien und Japan in den Plan Barbarossa nicht eingeweiht,[35] die osteuropäischen Satelliten Finnland, Ungarn, Rumänien, Slowakei ,Bulgarien zwischen 25. Mai und 17. Juni 1941.[36] Erst am 10. Juni 1941 wurde der Angriffszeitpunkt auf den 22. Juni 1941, 3.30 Uhr festgelegt.[37]
3. Planung des Völkermordkrieges. Der Charakter des Zweiten Weltkrieges als Völkermordkrieg war schon erkennbar in den lokalen Kriegen Deutschlands, Italiens und Japans in den dreißiger Jahren. Auf der Beratung mit der Wehrmachtsführung am 30. März 1941 bestimmte Hitler das Wesen des Krieges gegen die UdSSR: "Es handelt sich um einen Vernichtungskampf. Wenn wir es nicht so auffassen, dann werden wir zwar den Feind schlagen, aber in 30 Jahren wird uns wieder der kommunistische Feindgegenüberstehen. Der Kampf wird sich sehr unterscheiden vom Kampf im Westen."[38] Grundlegenden Weisungen, Pläne und Anordnungen sind Anweisungen für den Völkermord:
"Richtlinien auf Sondergebiete zur Weisung Nr. 21 Barbarossa" (13. März 1941)". Reichsführer SS erhielt Sondervollmachten zur Massenvernichtung von Juden und slawische "Untermenschen" durch vier Einsatzgruppen des Sicherheitsdienstes und der Sicherheitspolizei unter Leitung des Chefs des RSHA Reinhard Heydrich (28. April 1941)
"Erlass über die die Ausübung der Gerichtsbarkeit im Gebiet Barbarossa" (13. Mai 1941), der Straftaten von Wehrmachtsangehörigen gegen sowjetische Zivilisten strafrechtlich nicht verfolgt .
"Richtlinien für das Verhalten der Truppe in Russland" (19. Mai 1941), die u.a. bestimmen: "I. 1. Der Bolschewismus ist der Todfeind des nationalsozialistischen deutschen Volkes. Dieser zersetzenden Weltanschauung und ihren Trägern gilt Deutschlands Kampf. 2. Dieser Kampf verlang rücksichtloses und energisches Durchgreifen gegenüber bolschewistischen Hetzern, Freischerlern, Saboteuren, Juden und restlose Beseitigung jeden aktiven und passiven Widerstandes."[39]
"Richtlinie für die Behandlung der Kommissare"(6. Juni 1941): "Im Kampf gegen den Bolschewismus ist mit einem Verhalten des Feindes nach den Grundsätzen der Menschlichkeit oder des Völkerrechts nicht zu rechnen. Insbesondere ist von den politischen Kommissaren aller Art als den eigentlichen Trägern des Widerstandes eine haßerfüllte und unmenschliche Behandlung unserer Gefangenen zu erwarten." Deshalb sei gegen diese "Elemente, die Urheber barbarisch-asiatischer Kampfmethoden" eine völkerrechtliche Rücksichtnahmen falsch. Sie seien grundsätzlich "sofort mit der Waffe zu erledigen."[40]
"Bestimmungen über das kriegsgefangenenwesen" (16. Juni 1941). Ausdruck dieser Völkermordpolitik an der sowjetischen Bevölkerung war die systematische Vernichtung der Millionen Kriegsgefangenen. Von den in Gefangenschaft geratenen 3 350 000 sowjetischen Soldaten und Offizieren waren bis Dezember 1941 bereits 600 000 und bis 1. Februar 1942 60% ermordet.[41] Von den insgesamt 5,7 Mio. sowjetischen Soldaten und Offizieren in deutscher Kriegsgefangenschaft kamen 3,3 Mio. (57%) dur Erschießung, Aushungern und Arbeit um.[42]
Ein weiterer Bestandteil der Barbarossa-Planung war die im November 1941 gegründete Wirtschaftsorganisation Ost und sein Anfang 1941 gebildetes Führungsgremium, Arbeitsstab Russland (später Wirtschaftsstab Ost samt den Wirtschaftsinspektionen und Wirtschaftskommandos). Sie dienten der Aufteilung der sowjetischen Beute unter deutsche Großkonzerne und Banken. Das Programm dieses staatsmonopolistischen Machtorgans, die "Richtlinien für die Führung der Wirtschaft in den neubesetzten Gebiet" (sog. grüne Mappe) vom 23. Mai 1941 sah Massenvernichtung der slawischen Bevölkerung vor. In der Vorbereitung dieses Dokumentes ist eine Aktennotiz einer Beratung des Wirtschaftsführungstabes vom 2. Mai 1941 erhalten geblieben, in der es u. a. festgehalten wurde: "1. Der Krieg ist nur weiterzuführen, wenn die gesamte Wehrmacht im 3. Kriegsjahr aus Russland ernährt wird. 2. Hierbei werden zweifellos -zig Millionen Menschen verhungern, wenn von uns das für uns notwendige aus dem Land herausgeholt wird."[43] Diese Institutionen waren mehr als ein traditionelles Instrument bisheriger Kolonialpolitik des deutschen Industrie- und Bankkapitals. Ihre Aufgabe war die totale Ausplünderung des östlichen Europa mittels Sklavenarbeit und Massenvernichtung von Menschen auch durch Arbeit und durch geplantes Aushungern.[44]
Diese Völkermordpolitik begann schon eher, vor allem in Polen mit der sog. Eindeutschung der an Deutschland annektierten polnischen Gebiete seit Oktober 1939. Diese sog. Reichsgaue Posen, Wartheland und Danzig-Westpreußen, aber auch das Generalgouvernement waren Experimentierfelder der völkisch-rassistischen Mordpolitik, ähnlich wie die seit Oktober 1938 an Deutschland angeschlossenen Gebiete Tschechiens (Sudetengau) und seit März 1939 im sog. Protektorat Böhmen und Mähren.[45] Die Planung und Durchführung lagen in den Händen der SS unter Heinrich Himmler, in seiner Funktion als Reichskommissar für die Festigung des Volkstums, im Rasse- und Siedlungshauptamt, der Volksdeutschen Mittelstelle und dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA) sowie den Einsatzgruppen von Sicherheitspolizei und SD seit dem Polenfeldzug. Schlüsseldokument war der "Generalplan Ost" des RSHA, der seit 1941 der aber immer wieder fortgeschrieben wurde. Das "unerwünschte Volkstum" im "neuen Lebensraum" des Ostens Europas war Anfang 1942 mit 45 Mio. Menschen Berechnungsgrundlage. Davon sollten 31 Mio. in den folgenden 30 Jahren hinter dem Ural abgeschobene werden, die noch lebenden Juden zu 100 Prozent, die Polen zu 85, die Weißrussen zu 75, die Ukrainer zu 65 Prozent.[46]
Das "Unternehmen Barbarossa" konnte stattfinden, weil sich die Gegenkräfte in einer Antihitlerkoalition zu spät formierten. Aber auch deshalb, weil die sowjetische Führung die bedrohliche Gefahr unterschätzte und das verbrecherische Kriegsvorbereitung, den "Fall Barbarossa" nicht im Vorfeld aufklären konnte, obwohl eine beachtliche Zahl von hervorragenden Kundschaftern und Mitarbeiter der sowjetischen Aufklärung u.a. in Berlin, Warschau, in der Schweiz, Rumänien oder Japan wesentliche Teile des Kriegsplanes "Barbarossa" und dessen laufenden Präzisierungen über Zeitplanungen, Angriffsrichtungen und Truppenkonzentrationen usw. den sowjetischen Sicherheitsorganen und Stalin persönlich vorlagen.[47]
Dieser Vernichtungskrieg Nazideutschlands wie auch der gesamte Zweite Weltkrieg der Achse Berlin-Rom-Tokio scheiterte an der Kraft der Antihitlerkoalition, vor allem an der militärischen Kraft seiner einflussreichsten Staaten UdSSR, USA und Großbritannien, aber auch am weltweiten Widerstand der Völker aller Kontinente. Der Zweite Weltkrieg hatte allerdings katastrophale Folgen für fast alle Völker der Welt. Von den mindestens 60 Millionen Todesopfern des Zweiten Weltkrieges fiel fast die Hälfte auf die UdSSR - 27 Mio. der 196 Mio. Sowjetbürger verloren in den vier Jahren des Großen Vaterländischen Krieges ihr Leben; davon 11,4 Mio Soldaten (einschließlich der 3,5 Mio. Kriegsgefangenen) und 15,2 Mio Zivilisten.[48] Zu den Hauptopfern zählen 6 Mio. Juden, die Hälfte der jüdischen Bevölkerung Europas und 250.000 Roma und Sinti. China verlor (1937-1945) 13, 5 Mio Menschen, davon 10 Mio. Zivilisten.[49] Aber auch die Bevölkerung der Staaten, die den Völkermordkrieg führten, war schwer betroffen: Von den 18,2 Mio. zwischen 1939 und 1945 eingezogenen deutschen Soldaten starben 3,5 Mio., 1,2 Mio. deutsche Zivilisten kamen um. Die japanische Armee, die die Völker Südostasien überfiel und besetzte, verloren 2,1 Mio. Soldaten, 1,7 Mio Zivilisten starben (einschließlich der 92 000 Menschen durch die US-Atomschläge in Hiroshima und Nagasaki).[50]
Anmerkungen
[1] Zum historischen und gegenwärtigen Umgang mit Russland im Hinblick auf den Überfall auf Deutschland vgl. Kurt Pätzold: Der Überfall. Der 22. Juni 1941. Ursachen. Pläne und Folgen, Berlin 2016, und Stefan Bollinger: Meinst du, die Russen wollen Krieg? Berlin 2016, sowie Hannes Hofbauer: Feindbild Russland. Geschichte einer Dämonisierung, Wien 2016.
[2] Vgl. Deutscher Bundestag. 18. Wahlperiode, Drucksache 18/8523 vom 25. 5. 2016: Gedanken der Bundesregierung an 75 Jahre Überfall auf die Sowjetunion, S. 1-6.
[3] Japan führte Aggressionskriege gegen China (seit 1932 nordchinesicher Satellitenstaat Mandschukuo), die UdSSR (29. Juli - 11. August 1938- Überfall auf das fernöstliche Gebiet Primorje am Chassansee) und die Mongolische Volksrepublik (11. Mai - 15. September 1939 Schlacht am Chalchyn-Gol). Nazideutschland annektierte Österreich (12. März 1938) das Sudetenland (1. - 10. Oktober 1938), die Tschechoslowakei (15./16. März 1939 - "Protektorat Böhmen und Mähren", 16. März 1939 - Slowakei deutscher "Schutzstaat") und das litauische Memelgebiet (23. März 1939). Italien führte Krieg gegen Äthiopien (1935/36) und Albanien (1939) Deutschland und Italien intervenierten zugunsten der Franco-Putschisten in Spanien (1936-1939).
[4] Vgl. Kurt Pätzold: Faschismus-Diagnosen, Berlin 1916.
[5] 25. Nov. 1935 vereinbaren Deutschland und Japan den Antikominternpakt, dem sich Italien (1937), Mandschukuo, Ungarn (24. 2. 1939), Spanien (7.April 1939) und anschlossen. Dem antikommunistischen und antisowjetischen Pakt traten am 25. November 1941 Bulgarien, Rumänien, Kroatien, Finnland und Dänemark bei.
[6] Am 22. Mai 1939 kam das deutsch-italienische Bündnis zustande aus, dem am 27. September 1940 die Achse Berlin-Rom-Tokio (Dreimächtepakt) entstand, der Ungarn (20. November 1940), Slowakei (23. November 1940), Bulgarien (1. März 1941), Jugoslawien (25. März 1941) und Kroatien (15. Juni 1941) anschlossen.
[7] Kurt Pätzold: Zweiter Weltkrieg, Berlin 2014, S. 22
[9] Ebenda, S. 22.88">
[10] Vgl. Karl-Heinz Gräfe: So werden Kriege gemacht. Schicksalsjahr 1939:Weg in den Zweiten Weltkrieg. Berlin 2014, S. 38-57.
[11] Auf einer Beratung mit Molotov, Ždanov und Dimitroff am 7. September 1939 erklärte Stalin u.a.: "Der Krieg wird zwischen zwei Gruppen von kapitalistischen Staaten geführt […] um die Neuaufteilung der Welt. um Weltherrschaft. Wir haben nichts dagegen, dass sie kräftig aufeinander einschlagen und sich schwächen. Nicht schlecht, wenn Deutschland die Lage der reichsten kapitalistischen Länder (vor allem Englands) ins Wanken bringt. Hitler selbst zerrüttet und untergräbt, ohne es zu verstehen und zu wollen, das kapitalistische System. […] Wir können manövrieren, eine Seite gegen die andere aufbringen, damit sie sich noch stärker in die Haare kriegen. Der Nichtangriffspakt hilft Deutschland in gewissen Maßen. Der nächste Schritt ist der, die andere Seite anzuspornen. Bis zum Krieg war es völlig richtig, dem Faschismus das demokratische Regime entgegenzusetzen. Während des Kriegs zwischen den kapitalistischen Mächten ist das schon nicht mehr richtig. Die Unterscheidung der kapitalistischen Länder in faschistische und demokratische hat ihren Sinn verloren. […] Der polnische Staat war früher(in der Geschichte) ein Nationalstaat. […] Heute ist er ein faschistischer Staat, der Ukrainer, Weißrussen u.a. knechtet. Die Vernichtung dieses Staates unter den gegenwärtigen Bedingungen würde, würden einen bourgeoisen faschistischen Staat weniger bedeuten. Was ist Schlechtes daran, wenn wir im Ergebnis der Zerschlagung Polens das sozialistische System auf neue Territorien und Bevölkerungen ausdehnen." Georgi Dimitroff: Tagebücher 1933-1945.Herausgegeben von Bernhard H. Bayerlein. Aus dem Russischen und Bulgarischen Wladislaw Hedeler und Birgit Schliewens, Berlin 2000, S. 273f.;vgl. ebenda, S. 275 (Direktive für die Kommunistischen Parteien).
[12] Diese Politik verfolgte nicht nur die Führung des faschistischen "Großdeutschen Reiches", sondern auch den verbündeten herrschende Clique des italienischen "Imperio fascista" und der japanischen " Großasiatischen Wohlstandssphäre. Vgl. Karl-Heinz Gräfe: Befreiung und Neubeginn in Osteuropa. Völkisch-faschistische Regime bedrohen die Weltzivilisation, in Klaus Kinner (Herausgeber): Wege in die Zukunft. Regionales-Nationales-Internationales,, Sachsen 2006, S. 47-84, hier S. 47ff.
[13] Bis zum 8. Dezember 1938 wurden in Österreich nicht nur 20 973 politische Gegner des Anschlusses inhaftiert sondern zudem 125 000 der 185 000 jüdischen Staatsbürger Österreichs aus dem Land vertriebe und 51 500 ermordet. Vgl. Faschistische Okkupationspolitik in Österreich und in der Tschechoslowakei 1938-1945, Berlin 1988, S. 24-28 und 33-49.
[14] Die rasseideologische Besatzungspolitik proklamierte und realisierte Obergruppenführer Reinhard Heydrich vor den Spitzenkräften der Okkupationsverwaltung des sog. Protektorats Böhmen und Mähren, dem er seit Oktober 1941 vorstand: Die Grundlinie des Handelns in den besetzten tschechischen Ländern müsse zunächst "unausgesprochen bleiben, dass dieser Raum einmal deutsch werde n muss und dass der Tscheche in diesem Raum letzten Endes nichts mehr verloren hat Raum. {…] Die erst, die Nahaufgabe ist diktiert von der Notwendigkeit des Krieges. Ich brauche also Ruhe im Raum damit…die tschechischen Arbeiter für die deutsche Kriegsleistung hier vollgültig seine Arbeitskraft einsetzt. […] Und nun ein paar Gedanken zur Endlösung, die ich auch bitte, ja für sich zu behalten. Meine Herren, die Endlösung wird folgendes mit sich bringen müssen 1. Dass dieser Raum einmal endgültig deutsch besiedelt werden muss. Dieser Raum ist das Herzstück des Reiches. … Zur endgültigen Eindeutschung dieses Raumes will ich etwas sagen. Wir wollen nach alter Methode nun versuchen, dieses Tschechengesindel deutsch zu machen, sondern ganz nüchtern: das setzt schon bei den Dingen an, die heute bereits getarnt eingeleitet werden können. Um zu übersehen, was von diesen Menschen in diesem Raum eindeutschbar ist, muss ich eine Bestandsaufnahme machen in rassisch-völkischer Beziehung." Die Vergangenheit warnt. Dokumente über die Germanisierung-und Austilgungspolitik der Naziokkupanten in der Tschechoslowakei, zusammengestellt, mit Vorwort und Anmerkungen versehen von Václav Král, Dok. 19, S.122ff.;vgl. Die faschistische Okkupationspolitik in Österreich und in der Tschechoslowakei. Dokumentenauswahl und Einleitung von Helmut Kaden. Unter Mitarbeit von Ludwig Nestler, Sonja Kleinschmidt und Kurt Frotscher, Berlin 1988, Dok. 105, S. 177-188, Dok. 117, S. 189-190, Dok. 144, S. 230-231.
[15] Der "Generalplan Ost" (15. Juli 1941) sah vor 80-85% aller Polen (16-20 Mio. Menschen) nach Sibirien zu deportieren und dort verhungern zu lassen und die restliche Bevölkerung zu ermorden oder "einzudeutschen". Vgl. Die faschistische Okkupationspolitik in Polen (1939-1945).Dokumentenauswahl und Einleitung von Werner Röhr. Berlin 1989, S. 64.
[16] Vgl. Dietrich Eichholz: Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945, Bd. 1, Berlin 1969; Barbarossa. Dokumente zur Vorbereitung der faschistischen Wehrmacht auf die Aggression gegen die Sowjetunion. Ausgewählt und eingeleitet von Erhard Moritz, Berlin 1970; Albert Beer: Der Fall Barbarossa. Untersuchung zur Geschichte der Vorbereitungen des deutschen Feldzuges gegen die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken im jahre 1941, Münster 1979; B. G. Solowjow: Von Plan Weiss zu Barbarossa. Die geheime Vorbereitung des zweiten Weltkrieges, Berlin - Moskau 1989; Gerd R, Ueberschär/Wolfram Wette(Hrsg.): Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion. "Unternehmen Barbarossa", 1941, Frankfurt am Main 1991; Walter Post: Unternehmen Barbarossa. Deutsche und sowjetische Angriffspläne 1940/1941, Hamburg/Berlin/Bonn 1996; Roland G. Foerster (Hrsg.): der deutsche Überfall auf die Sowjetunion."Fall Barbarossa" 1941 Frankfurt am Main 1999; Vladimir Lota: "Alta" protiv "Barbarossy", Moskva 2004; Klaus Jochen Arnold: Die Wehrmacht und die Besatzungspolitik in den besetzten Gebieten der Sowjetunion: Kriegführung und Radikalisierung im "Unternehmen Barbarossa", Berlin 2005; Wolfgang Fleischer: Unternehmen Barbarossa 1941, Eggolsheim 2007; Christian Hartmann: Unternehmen Barbarossa. Der deutsche Krieg im Osten, München 2011; Kurt Pätzold: Der Überfall. Der 22. Juni1941.Ursachen, Pläne und Folgen, Berlin 2016.
[17] Georgi Dimitroff: Die Offensive des Faschismus und die die Aufgaben der Kommunistischen Internationale im Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus. Bericht auf dem VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale (2. August 1935), in: ders. :Ausgewählte Schriften, Bd. 2, Berlin 1958, S. 525-526.
[18] Adolf Hitler, Mein Kampf, Bd. 2, München 2015, S. 1657 und 1659. Hitler behauptet: "Im russischen Bolschewismus haben wir den im zwanzigsten Jahrhundert unternommenen Versuch des Judentums zu erblicken, sich die Weltherrschaft anzueignen." (Ebenda S. 1075) Vgl. auch ebenda, Bd. 1, S. 403 und 853.
[19] Vgl. ebenda, S. 1659 und 1667.
[20] Adolf Hitler, Monologe, S.62.
[21] Zu dieser Thematik vgl. Karsten Heinz Schönbach: Die deutschen Konzerne und der deutsche Nationalsozialismus 1926-1943, Berlin 2015.
[22] Der Fall Barbarossa. Dokumente zur Vorbereitung der faschistischen Wehrmacht gegen die Sowjetunion (1944/435). Ausgewählt und eingeleitet von Erhard Moritz, Berlin 1970, Dok. 2, S. 52-54.
[23] Ebenda, Dok. 3, S. 56-60.
[24] Ebenda, Dok. 4, S. 64.
[25] Ebenda, Dok. 5, S. 65-66.
[26] Ebenda, Dok. 7, S. 69.
[27] Ebenda, Dok9. S. 70.
[28] Auf einer Beratung auf dem Berghof am 31. Juli 1940 mit Halder, Jodl, Brauchitsch und Raeder erklärte und entschied Hitler:"Englands Hoffnung ist Russland und Amerika. Wenn Hoffnung auf Russland wegfällt, fällt auch Amerika weg, weil der Wegfall Russlands eine Aufwertung Japans in Ostasien in ungeheurem Maße folgt. […] Ist aber Russland geschlagen, dann ist Englands letzte Hoffnung getilgt. Entschluss: Im Zuge dieser Auseinandersetzung muß Russland erledigt werden. Frühjahr 1941 Je schneller Russland zerschlagen, um so besser. Operation hat nur Sinn wenn wir Staat in einem Zug schwer zerschlagen. Gewisser Raumgewinne allein genügen nicht […] Daher besser warten, aber bestimmter Entschluss, Russland zu erledigen. Notwendig auch die Lage an der Ostsee. 2. Großstaat an der Ostsee nicht brauchbar. Mai 1941. 5 Monate Zeit zur Durchführung. […] Ziel: Vernichtung der Lebenskraft Russlands." (Der Fall Barbarossa. Dokumente, Dokument 10, S . 71-72).
[29] Der Fall Barbarossa. Dokumente, Dok. 31, S. 121-126.
[30] Vgl. Walter Post: Unternehmen Barbarossa, Dok. 12, S.385-389.
[31] Vgl. B. G. Solowjow: Vom Plan "Weiss" zu "Barbarossa". Die geheime Vorbereitung des zweiten Weltkrieges, Moskau/Berlin 1989, S. 138-141.
[32] Der Fall Barbarossa. Dokumente, Dokument, Dok. 36, S. 140-144, hier S. 140-141.
[33] Ebenda, Dok. 38, S. 149-161,vgl. auch Dok. 43, 44 und 51.
[34] Ebenda, Dok. 43, S. 169.
[35] Ebenda, Dok.52, S.192.
[36] Ebenda, Dok. 46, S. 176-177;vgl. auch ebenda, Dok., S. 48-54, S., S.182 -194.
[37] Ebenda, Dok.52, S. 192
[38] F. Halder: Kriegstagebuch, Bd.2, S.337.
[39] Zitiert nach Horst Boog/Jürgen Förster/Joachim Hoffmann/Ernst Klink/Rolf-Dieter Müller/Gerd R. Überschäre: Der Angriff auf die Sowjetunion, Frankfurt am Main 1991, S. 526.
[40] Zitiert nach ebenda, S. 522; vgl. C. Streit: Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941.1945, Stuttgart 1978.
[41]Horst Boog/Jürgen Förster/Joachim Hoffmann/Ernst Klink/Rolf-Dieter Müller/Gerd R. Überschäre: Der Angriff, S. 1197.
[42] Vgl. Christian Streit: Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941-1945, Bonn 1991, S. 10; Rolf Keller: Sowjetische Kriegsgefangene im deutschen Reich 1941/42, Göttingen 2011.
[43] Zitiert nach Dietrich Eichholz: Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft, Bd. I 1939-1941, Berlin 1969, S. 239. Dieses wirtschaftliche Ausplünderungsprogramm des "Unternehmen Barbarossa kalkulierte von vornherein ein: "Viele 10 Millionen von Menschen werden in diesem Gebiet überflüssig und werden sterben oder nach Sibirien auswandern müssen. Versuche, die Bevölkerung dort vor dem Hungerstod zu retten... unterbinden die Durchhaltepolitik Deutschlands und Europas. Darüber muss absolute Klarheit bestehen." Zitiert nach ebenda, S. 242.
[44] Vgl. Wigbert Benz: Der Hungerplan im "Unternehmen Barbarossa" 1941, Berlin 2011; Rolf-Dieter Müller.
[45] Vgl. Rolf-Dieter Müller: Hitlers Ostkrieg und die deutsche Siedlungspolitik, Freiburg 1991; Bruno Wasser: Himmlers Raumplanung im Osten. Der Generalplan Ost in Polen 1940-1944, Basel-Berlin -Boston 1993; Werner Röhr: Occupatio Poloniae. Forschungen zur deutschen Besatzungspolitik, Berlin 2004.
[46] Vgl. Czeslav Madajczyk (Herausgeber): Vom Generalplan Ost zum Generalsiedlungsplan, München-New York-Povidence-London-Paris 1994; Götz Aly:"Endlösung". Völkerverschiebung und der Mord an den europäischen Juden, Frankfurt a.M. 1995; Mechthild Rössler/ Sabine Schleiermacher (Herausgeber): Der "Generalplan" Ost. Hauptlinien der nationalsozialistischen Planungs-und Vernichtungspolitik, Berlin 1993;Werner Röhr/Brigitte Berlekamp (Hg.): Neuordnung Europas, Berlin 1996.
[47] Vgl. Vladimir Lota: "Alta" protiv "Barbarossy", Moskva 2004; Arsen Martirosjan: Tragedija 22 iunnja: Blitzkrig ili izmena? Pravda Stalina, Moskau 2006; Lev A. Bezyminski: Der sowjetische Nachrichtendienst und der Kriegsbeginn von 1941, in: Gerd R. Ueberschär/ Lev A. Besymenski (Hrsg.): der deutsche Angriff auf die Sowjetunion, Darmstadt 2011.
[48] Vgl. Rossija i SSSR v vojnach XX. Veka. Poteri vooružennich sil. Statisticeskoe issledovanie, Moskva 2001. Ein von staatlichen Stellen Russlands durchgeführte mehrjährige überführung ergab, dass schätzungsweise 37 Mio. sowjetische Staatsbürger im Zweiten Weltkrieg umgekommen sind Vgl. Rianovost vom 7.Mai 2009 de.rian.russia/20090507/121492894.html
[49] Der Krieg Deutschlands, Japans und Italiens brachte eine Reihe anderer Länder Todesopfer Vietnam (2 Mio.), In, Jugoslawien (1,7 Mio.), Äthiopien (760.000), USA (407 116), Tschechoslowakei (360 000, davon 270 000 Juden), Frankreich (360 000), Großbritannien (330 000), Griechenland 180 000), Niederland (220 000,davon120 000 Juden), Belgien (60 000, davon 50 000 Zivilisten).
[50] Große menschliche Verluste erlitten auch die verbündeten Satelliten Nazideutschlands wie Ungarn (950 000), Rumänien (378 000) und Italien (300 000). Zahlenangaben zu den Gesamtverlusten vgl. Richard Overy: Russlands Krieg 1941-1945, Reinbeck 2003; Das deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 10, Freiburg 2008; Neues Deutschland vom 2./3. Mai 2015, S. 27.